Disclaimer

Dies ist eine FanFiktion. Die Charaktere gehören Stephenie Meyer. Die Idee und Handlung zu dieser Story, ist das Eigentum von mimicry.

Beschreibung

Stell dir vor, du könntest nicht wie gewohnt, deine Lieblingsband hören. Musik kennst nur durch Erzählungen. Stimmen hast du noch nie in deinem Leben gehört. Du weißt nicht, wie sich das rauschen der Blätter in den Bäumen anhört, oder wie das plätschern des Wassers klingt. Du müsstest dich mit der Gebärdensprache verständigen. Kannst du dir das vorstellen? Kannst du dir vorstellen, das dein Leben ohne Worte und Klänge sein könnte? Kannst du dir vorstellen, das alles um dich herum ruhig ist? Wahrscheinlich nicht, oder?

Bella leidet seid ihrer Kindheit unter Gehörlosigkeit. Sie nahm nie auch nur das kleinste Geräusch wahr. Andere haben sich immer über sie lustig gemacht oder sie durch ihre Unwissenheit verletzt. Ihre Mutter hat sie früh verloren, ihr Vater interessiert sich mehr für ihren Bruder Jasper. Ihr Bruder ist der einzige Mensch den sie eigentlich hat, mit dem sie sich unterhalten kann und der immer für sie da ist. Sie zieht zu ihm und seinen Freunden, doch das wird schwieriger als diese erwartet haben. Alle versuchen sich mit Bella zu unterhalten und lernen sogar die Gebärdensprache. Nur Edward tritt immer wieder ins Fettnäpfchen und verletzt Bella unbewusst. Aber er hat auch eine andere Seite und gibt Bella das Gefühl, eine ganz normale junge Frau zu sein. Doch Liebe und Leid liegen oft sehr nah beieinander.

Samstag, 14. August 2010

Kapitel 1 – Die Ankunft

But i cant get my hopes to high
Cuz every hello ends with a goodbye

Demi Lovato – Don't catch me



~~Bella~~

Morgen würde es soweit sein. Nur noch eine Nacht schlafen und dann konnte ich endlich hier weg. Wie lange ich doch schon auf diesen Tag gewartet hatte. Ich könnte in diesen Moment nicht glücklicher sein. Mein altes Leben hinter mir lassen und vielleicht anerkannt zu werden, so wie ich bin und nicht als behinderte oder dumme und unnütze Person. Ich wollte doch nur akzeptiert werden. Mehr nicht. Ich wollte endlich ein neues Leben beginnen und endlich die sein, die ich bin.

Ich stand in meinem Zimmer. Auf dem Bett lagen zwei große Koffer, in denen ich meine Klamotten und andere Dinge, drin verstaute. Meine Zeichenstifte legte ich zwischen die Kleider, damit sie besser geschützt waren. Ich könnte es nicht ertragen, wenn diese teuren Charakter Kohle Stifte oder meine über alles geliebten Graphitint Stifte kaputt gehen würden. Das war wohl das für mich wichtigste, was ich mitnehmen würde. Malen, Zeichnen und meine Bücher, lenkten mich von meinem bisherig traurigen Alltag ab. Ich konnte einfach alles um mich herum vergessen, wenn ich in meine eigene Welt versank. Ich ließ nur das draußen, was ich am nächsten Morgen brauchen würde.

Nachdem ich mir eine Kleinigkeit zu essen gemacht hatte, setzte ich mich an meinen Laptop, um Angela noch eine E-Mail zu schreiben. Sie wusste, dass ich morgen fliegen würde und hatte sich schon heute Morgen verabschiedet, da sie mit ihren Eltern übers Wochenende zu ihren Großeltern fuhr. In ein paar Tagen, würde sie nach Cambridge gehen, um an der Harvard University zu studieren. Ich hingegen würde nach Los Angeles ziehen, um an der California State University Northridge mein Studium zu absolvieren. Ich freute mich schon darauf.

An diesem Abend ging ich früh zu Bett. Ich wollte ausgeruht sein, der morgige Tag würde noch anstrengend genug werden. Der Vibrationsalarm meiner Armbanduhr riss mich um 7.00 Uhr aus dem Schlaf. Ich beendete das Vibrieren per Knopfdruck, streckte mich ausgiebig und gähnte herzhaft. Nachdem ich die Bettdecke beiseite schlug und aufstand, ging ich ins Bad, um mich fertig zu machen. Für heute hatte ich mir etwas Bequemes rausgesucht, eine schlichte dunkle Jeans und ein rotes Dreiviertelarm Shirt, dazu meine über alles geliebten schwarzen Chucks. Meine restlichen Sachen packte ich in einen der Koffer. Ein letzter Blick durchs Zimmer, ob ich auch nichts vergessen hatte und dann ging ich runter. Mein Vater saß schon in der Küche, las in seiner Zeitung und schaute nicht einmal hoch, als ich den Raum betrat. Wie immer, schoss es mir durch den Kopf. Nach dem Frühstück verstauten wir meine Sachen im Wagen und ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Bisher hatte mein Vater kein einziges Wort gesprochen. Er sprach generell nur das Nötigste mit mir.

Es kam mir vor wie eine Ewigkeit bis wir endlich in Richtung Flughafen losfuhren. Von wo aus ich nach L.A. fliegen würde. Zu meinem Bruder und in ein neues Leben an der CSUN. Wie sehr ich Jasper in den vergangenen drei Jahren vermisst hatte. Er ging damals nach Los Angeles, um an der hiesigen Universität zu studieren. Er wollte schon immer Arzt werden und dort sollte sein Traum Wirklichkeit werden. Seit seinem Auszug fühlte ich mich einsam zuhause. Meine Mutter war gestorben, als ich zehn war und mein Vater arbeitete sehr viel. Im Gegensatz zu meiner Mutter, machte mein Vater zwischen Jasper und mir große Unterschiede. Jazz war sein ganzer Stolz, ich hingegen war ihm einfach nur lästig. Ich hatte auch kaum Freunde. Um genau zu sein, hatte ich nur eine Freundin. Angela war anders als die anderen in Forks. In dieser kleinen Stadt waren so ziemlich alle, die in meinem Alter waren, der Meinung, dass man mit jemanden wie mir nichts zu tun haben sollte und konnte. Das hatte einen einfachen und zugleich sehr verletzenden Grund. Seit ich ein kleines Kind war, konnte ich nichts hören. Als ich zwei oder drei Jahre alt war, hatte ich Masern. Während dieser Krankheit, bekam ich noch eine akute Mittelohrentzündung dazu. Diese hatte dazu geführt, dass ich eine leichte Verwachsung im Bereich der Gehörknöchelchen bekam, welche erst zu einer sehr schwachen Schallleitungsstörung führte. Seit den Masern, hatte ich immer wieder mit akuten Mittelohrentzündung zu kämpfen und so kam es, dass aus einer sehr schwachen Schallleitungsstörung eine zusätzliche starke Schallempfindungsstörung hinzukam, da die Verwachsungen im Bereich der Gehörknöchelchen immer ausgeprägter wurden. Gemäß meines Arztes litt ich unter einer kombinierten Schwerhörigkeit. Leider behaupteten viele Menschen, man wäre taubstumm, wenn man an Gehörlosigkeit litt. Dass sie die Menschen, die gehörlos waren, damit diskriminierten, war ihnen gar nicht bewusst. Oder es war ihnen egal. Wenn man jemandem sagt, er wäre taubstumm, bloß weil er nichts hören kann, dann kränkt das sehr. Denn wir waren nicht dumm oder unfähig. (1* A/N siehe unten)

Nie habe ich Personen kennenlernen dürfen, die genauso sind wie ich. Es störte mich nicht, gehörlos zu sein. Etwas anderes kannte ich ja nicht, denn an die Zeit, in der ich hören konnte, kann ich mich nur noch schwach erinnern. Die Leute in meiner Umgebung waren ein größeres Problem. Für die war ich behindert und das tat weh. Sie hatten keine Ahnung und meinten, sie wüssten alles. Als ob die eine Ahnung hätten, wie es ist, nichts hören zu können. Solche selbst ernannten, allwissenden Menschen, würden ohne ihr Gehör doch gar nicht zurecht kommen. Oft stellte ich mir die Frage, warum sie in so jemandem wie mir eine behinderte Person sahen. Es gab doch auch Menschen, die nicht laufen konnten und deshalb im Rollstuhl saßen und solche, die keine Arme hatten, oder welche, die nichts sahen. Unsere Körper konnten vielleicht nicht dasselbe wie die der Gesunden, aber alle mit einer körperlichen Schwäche, sind nicht behindert, sondern wurden durch die Personen in ihrer Umgebung, mit den ganzen Regeln und Gesetzen dazu gemacht. Überall wird von Barrierefreiheit geredet, aber genau diese Menschen stellen einem oft Barrieren in den Weg.


Das was ich nicht hören konnte, vermochte ich stattdessen zu sehen und zu fühlen. Nicht alles, das stimmt, aber vieles. Ich muss nicht hören, wie der Wind die Blätter in den Bäumen bewegt, denn ich sehe es. Ich muss den Wind nicht hören, ich kann ihn fühlen. Man muss nicht unbedingt hören können, um durch die Welt zu gehen.

Ich kann mich ebenso wie jeder andere verständigen. Nur eben auf meine eigene Art. Denn ich war nicht dumm und unfähig, bloß weil mein Gehör nicht funktioniert. Viele Dinge die „normale“ Menschen tun, kann ich ebenfalls. Nur halt nicht alles, doch trotzdem kam ich gut durch mein Leben und da ich sowieso nie Sekretärin werden wollte, musste ich gar nicht alles können.

In Forks hatte ich nicht das Glück auf eine Schule gehen zu können, die auf meine körperliche Schwäche spezialisiert war. Die Lehrer sprachen sehr viel in ihrem Unterricht und machten kaum etwas schriftliches an der Tafel. Auch wenn ich mir angewöhnt habe, möglichst oft Lippen zu lesen, konnte ich doch nicht alles vom Unterricht mitbekommen. Es fiel mir schwer, gleichzeitig Lippen zu lesen und das Gesagte aufzuschreiben. Die Lehrer sprachen einfach zu schnell für mich, oder aber liefen durch den Raum, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte und dadurch fehlte Vieles. Angela war immer so nett gewesen und schrieb alles mit, was die Lehrer erzählten. Ich durfte ihre Notizen abschreiben und so wusste ich, worum sich der Unterricht handelte.

Wir hatten allerdings nicht alle Kurse zusammen, sodass ich die Lehrer um eine Zusammenfassung des Unterrichts bitten musste. Ein weiteres Problem war auch, dass ich nicht wie alle anderen auf Fragen antworten konnte, weshalb ich meistens gar nicht dran genommen wurde. Sie mussten ihre Frage aufschreiben und ich meine Antwort. Um meine mündlichen Leistungen war es also nie gut bestellt. Wenn ich wollte, konnte ich auch sprechen, doch es war mir unangenehm dies zu tun, denn ich konnte mich selber ja nicht hören. Die anderen Schüler fanden es lustig, wenn ich mich wirklich mal dazu überwand, denn sie fanden, dass sich meine Stimme lustig oder lächerlich anhörte. Warum sollte es also einen Grund geben zu sprechen, wenn sie sich eh über mich lustig machten. Für mich gab es keinen. Doch trotz der ganzen Probleme, die ich in der Forks High hatte, gelang es mir, einen wirklich guten Abschluss zu absolvieren und ich war stolz darauf, dass ich das geschafft habe.

An der CSUN würde es anders werden, denn dieses College war eines, das sich nicht nur auf hörende Studenten spezialisiert hat, sondern auch auf gehörlose und hörbehinderte Menschen. Ich freute mich darauf, endlich richtig am Unterricht teilnehmen zu können und Menschen kennenzulernen, die waren wie ich. Meine Hoffnung war, dass es dort besser werden würde. Nur Angela würde ich vermissen, denn sie ist meine beste Freundin.

Auch wenn sie kaum etwas in der Gebärdensprache sagen konnte, so hatten wir unsere eigene Art miteinander zu kommunizieren. Sie hatte in all den Jahren unserer Freundschaft, versucht zu lernen, was für Bedeutungen die Gebärden haben, welche Körpersprache und Gesichtsmimik dazugehörte, doch wirklich etwas hängen geblieben war nie. Ich war ihr deswegen nicht böse, denn allein ihr Versuch sich mit mir zu verständigen, machte sie für mich zu etwas besonderem.

Mein Vater parkte den Wagen am Flughafen und tippte mir auf die Schulter, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
>Wir sind da< zeigte er mir in Gebärdensprache, als ich zu ihm schaute.
Nickend lächelte ich ihn kurz an, öffnete dann die Beifahrertür und stieg aus, was er mir gleich tat. Wir holten mein Gepäck aus dem Wagen und gingen ins Flughafengebäude. Dort reihten wir uns in die kurze Warteschlange am Check-In ein. Charlie erklärte der Mitarbeiterin der Fluggesellschaft, dass ich einen Flug von Port Angeles nach Los Angeles gebucht hatte und Hilfe benötigen würde, da ich gehörlos war. Er sprach für mich gleichzeitig in der Gebärdensprache, damit ich verstand was er ihr sagte. Die junge Frau schaute mich erst überrascht und dann herablassend an, nickte jedoch meinem Vater zu, sagte ihm noch irgendwas und druckte meine Bordingcard aus, welche sie mir dann überreichte. Meine beiden Koffer machten sich auf den Weg durch das Labyrinth von Rollbändern. Wir entfernten uns von dem Schalter und stellten uns vor den Sicherheitsbereich. Mein Vater sprach mit einem der Sicherheitsbeamten und dann konnte ich meine Sachen, die ich noch an und bei mir hatte, in eine Plastikkiste legen. Charlie nahm mich noch kurz in den Arm. Seit langer Zeit die erste freundliche Geste.

>Grüß deinen Bruder von mir< zeigte er mir noch, winkte dann und ich ging durch den Metalldetektor.

Es piepte nicht, zumindest nahm ich das an, denn keiner der Beamten kontrollierte mich noch einmal genauer und auch in meiner Handtasche schien nichts zu sein, was mir Probleme bereiten würde. Ich erhielt meine Sachen zurück und ging zum Terminal, von dem aus mein Flieger starten würde. Ein Mitarbeiter des Flughafens gab mir Bescheid, als es Zeit war einzusteigen. Er hatte es auf einem Blatt Papier stehen, damit ich ihn verstand.

Knappe zehn Minuten später saß ich im Flugzeug. Die Stewardess kam zu mir und bewegte ihre Lippen, da sie anscheinend mit mir sprach. Ich zeigte ihr, dass sie einen Moment warten sollte und kramte in meiner Handtasche nach einem kleinen Block und einem Stift.
Ich kann Sie nicht verstehen, tut mir leid, schrieb ich darauf und zeigte ihr mein Geschriebenes. Die Stewardess lächelte mich an und zeigte dann auf den Wagen vor ihr. Dann nahm sie mir den Block und Stift ab und schrieb etwas darauf. Ob ich etwas essen oder trinken möchte, wollte sie von mir wissen. Ich nickte. Sie deutete auf die Auswahl und ich entschied mich für ein Sandwich. Als ich es erhalten hatte, holte ich meine Brieftasche raus, doch da war sie schon weiter gegangen. Musste ich das etwa nicht bezahlen? Fragend schaute ich mich um. Jeder der etwas erhielt, zahlte nicht. Dann war das Essen wohl im Preis inbegriffen, dachte ich mir und aß mein Sandwich. Der Flug selber, verlief ohne weitere Vorkommnisse. Kurz vor der Landung kam die Stewardess wieder, tippte mir auf die Schulter und zeigte auf den Gurt. Ich nickte ihr lächelnd zu und schnallte mich fest und kurz darauf landete die Maschine auf dem Los Angeles International Airport.

Wie alle anderen Passagiere verließ ich das Flugzeug, lief durch den Tunnel hinaus ins Flughafengebäude. Mein Weg führte mich direkt zur Gepäckausgabe. Die Minuten verstrichen für mich viel zu langsam. Ich konnte es nicht erwarten, nach all der Zeit endlich meinen Bruder wiederzusehen. Fünfzehn Minuten später hatte sich eine große Menschenmenge um das Gepäckband gebildet. Ungeduldig schaute ich auf die Taschen und Koffer, bis meine beiden endlich zu sehen waren. Ich griff mir erst den einen Koffer und kurz darauf den anderen. Beide stellte ich auf einen Gepäckwagen und schob ihn aus dem Sicherheitsbereich.

Viele Leute hatten sich versammelt, die auf die Ankömmlinge warteten. Langsam ging ich aus der Absperrung raus und suchte die Menschenmassen nach Jasper ab. So viele Gesichter sah ich, doch das Gesuchte war nicht dabei. Jemand rempelte mich an, wodurch ich zur Seite stolperte und hinfiel. Schockiert sah ich in die Richtung, aus der ich gerade gefallen war, doch da war niemand mehr. Ich kniete mich hin, um schließlich wieder aufzustehen. Abermals wanderte mein Blick über die Massen, doch wieder vergebens. Enttäuschung machte sich langsam in mir breit. War Jasper etwa nicht wie versprochen gekommen? Hatte er mich vergessen?

Wenn ich seine Adresse hätte, könnte ich mir wenigstens ein Taxi nehmen, aber so saß ich hier fest. Wieder schaute ich mich um und sah jemanden, der meinem Bruder ähnlich sah. Ich hatte Jasper schon länger nicht mehr gesehen, doch er schrieb mir vor ein paar Wochen, dass er sich nicht groß verändert hatte. Ich müsste ihn also wiedererkennen. Langsam ging ich auf die Person zu, doch bei näherem Betrachten erkannte ich, dass mich meine Augen getäuscht hatten.

Auf einmal verlor ich den Boden unter den Füßen und wurde an eine harte Brust gedrückt. Angst breitete sich in mir aus, da ich keine Ahnung hatte, wer mich hochhob und drückte. Als ich endlich wieder runter gelassen wurde, drehte ich mich um und sah in strahlende braune Augen. Diese Augen würde ich überall wiedererkennen. Erleichtert sprang ich meinem Gegenüber um den Hals. Endlich hatte ich ihn wieder. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich spürte, wie ich abermals den Boden unter den Füßen verlor. Jasper drehte sich mit mir im Arm, was zur Folge hatte, dass ich mich noch stärker an ihn fest klammerte.

>Hallo Bella. Schön, dass du endlich da bist<, zeigte er mir, als ich nun vor ihm stand. Meinen Namen kürze er eigentlich nur mit meinem Anfangsbuchstaben ab.

Seine dunkelblonden Haare waren wie eh und je ein Heiden Durcheinander, ein Grinsen lag auf seinen Lippen und seine Augen strahlten mich an. Wie sehr ich ihn vermisst hatte. Die einzige Veränderung an ihm war seine Statur. Er hatte bedeutend mehr Muskeln, als vor drei Jahren und auch seine Gesichtszüge waren männlicher geworden. Ein Dreitagebart zierte sein Kinn und ich erkannte den Ansatz eines Tattoos auf seinem Arm. Das T-Shirt, welches er trug, verdeckte jedoch das meiste davon. Eins stand fest, das würde er mir noch genauer zeigen müssen. Er winkte wild vor meinem Gesicht und ich zuckte erschrocken zusammen.

>Wie geht es dir?<, wollte er von mir wissen.

>Gut und dir?<

Er zeigte mir das Zeichen für gut, indem er mit der rechten, flach ausgestreckten Hand seine Lippen berührte und diese dann in die linke Hand sinken ließ, so dass der Handrücken der rechten Hand auf der Innenfläche der linken lag.

Ich lächelte ihn an. Kurz darauf sprang mir eine junge Frau um den Hals und drückte mich fest an sich. Ich sah wie mein Bruder amüsiert seinen Kopf schüttelte, der Frau auf die Schulter tippte und seine Lippen bewegte. Sie ließ von mir ab, nickte ihm zu und wurde rot.

>Das ist Alice, meine Freundin<, erklärte mir Jasper.

Überrascht schaute ich meinen großen Bruder an. Er hatte mir nie geschrieben, dass er eine Freundin hatte. Mein Blick wanderte zu Alice. Sie war genau wie ich, mindestens einen Kopf kleiner als Jasper, hatte ein elfenhaftes Gesicht, welches von fast schwarzen Haaren umrandet wurde und freundliche grüne Iriden. Ich winkte ihr zu, welches sie strahlend erwiderte. Ihre Lippen bewegten sich wieder und ich sah meinen Bruder lachen. Neugierig, was er so lustig fand, schaute ich ihn an. Er sah meinen Blick, zwinkerte mir zu und übersetzte Alices Gesprochenes für mich.

>Sie will wissen, ob du einen guten Flug hattest?<

Ich nickte Alice zu, wusste allerdings nicht, was er daran so lustig fand

>Er war okay, danke<, zeigte ich Jasper, der Alice die Bedeutungen meiner Zeichen erklärte.

Auf ihren Gesicht erschien ein Lächeln. Ich fragte meinen Bruder, warum er darüber gelacht hatte.

>Alice wollte, dass ich übersetze und sie hat mir gedroht, dass sie ewig auf mich sauer sein würde, wenn ich es nicht tue<, erklärte er mir.

Ich schaute kurz zu Alice, welche interessiert und neugierig die ganzen Gebärden meines Bruders beobachtet hatte. Jetzt verstand ich ihn, denn seine Freundin sah irgendwie aus, als ob sie ihm nie lange böse sein könnte. Ihre Augen verrieten mir sehr viel über sie. Es heißt ja, die Augen seien das Fenster zur Seele. Ich fand, dass es stimmte. Die Augen eines Menschen verrieten einem sehr viel mehr, als tausende Worte es je tun könnten. Die von Alice waren offen und herzlich. Sie schien sich wirklich darüber zu freuen, mich zu sehen und anscheinend hatte sie auch nichts gegen meine Gehörlosigkeit, denn ihre Körpersprache verriet es mir. Es war ein schönes Gefühl, doch trotzdem wusste ich nicht ganz, wie ich damit umgehen sollte.

>Wollen wir los?<, fragte Jasper mich.

Ich nickte nur als Antwort. Alice hakte sich bei mir ein und Jasper schob den Gepäckwagen. Zusammen durchquerten wie die große Halle des Flughafengebäudes. Als wir es verließen, brachten die beiden mich zu ihrem Wagen. Jasper verstaute mein Gepäck im Kofferraum seines Autos und brachte den Gepäckwagen zurück. Ich setzte mich auf den Rücksitz und zu meiner Überraschung, tat mein Bruder es mir gleich und Alice setzte sich hinters Steuer.

>Damit ich mir dir sprechen kann<, erklärte er mir lächelnd.

>Danke, Jasper.<

Eine leichte Erschütterung verriet mir, dass Alice den Wagen startete und kurz darauf ließen wir den Flughafen hinter uns.

Jasper fragte mich, wie es mir die vergangenen Jahre in Forks ergangen war. Ich beantwortete seine Frage, auch wenn ich ihm vieles davon schon in einer Mail geschildert hatte und doch konnte ich es nicht verhindern, dass eine vereinzelte Träne aus meinem Auge trat und sich ihren Weg an meiner Wange hinunter bahnte. Er strich sie mir weg und schaute mich mitfühlend an. Traurig senkte ich meinen Blick und spürte, wie er mich an seine Brust zog und sanft über meinen Rücken strich. Ich konnte meine Tränen nicht länger aufhalten, sie rannen unaufhörlich aus meinen Augen. Alles was mich die letzten Jahre verletzt hatte und ich die ganze Zeit zu ignorieren versuchte, brach nun über mir zusammen wie ein Orkan. Wenn ich daran dachte, was ich alles in mich hinein gefressen hatte, musste ich noch mehr weinen. Es war fast so, als ob mein Bruder etwas in mir bewegt hätte, was das alles wieder zum Vorschein brachte.

Wenn ich traurig war, hatte Charlie nie die Zeit gehabt, mich einfach mal in den Arm zu nehmen. Ich erkannte endlich, dass mein Vater nur dann für mich Zeit hatte, wenn es nicht anders ging. Nur weil meine Mum damals wollte, dass ich mich mit der ganzen Familie unterhalten konnte, hatte Charlie die Gebärdensprache erlernt. Sehr lange hatte er sich dagegen gesträubt, denn mit den Händen sprechen, fand er schon immer lästig. Um mit mir zu reden, musste er zum einen immer vor mir stehen, damit ich ihn sehen konnte, zum anderen brauchte er immer beide Hände dafür und konnte somit seine Bierdose nicht mehr halten, wenn er eines seiner Spiele im Fernsehen anschaute.

Jasper drückte mich von sich, damit er mir etwas sagen konnte. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und schaute ihn an.

>Was hast du, Bella? Warum weinst du?< wollte er von mir wissen. Leicht schniefte ich.

>Ich freue mich dich zu sehen< sagte ich ihm und versuchte zu lächeln.

>Und was noch?<

Kurz schloss ich meine Augen und holte tief Luft, dann erzählte, oder besser gesagt, zeigte ich ihm alles. Je mehr ich erzählte, desto wütender wurde sein Gesichtsausdruck. Ich sah, wie er seine Lippen bewegte. Anscheinend beantwortete er Alice eine Frage, denn sie sah fragend in den Rückspiegel.

>Warum hast du mir nie geschrieben, dass du solche Probleme hattest?<, fragte er mich und wirkte enttäuscht.

>Du warst immer so glücklich, ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.< Er schüttelte seinen Kopf.

>Bella, du weißt doch, dass ich immer für dich da bin. Warum vertraust du mir nicht mehr? Früher hast du auch über alles mit mir gesprochen. Du weißt doch, dass ich dir helfe, wenn ich es kann.<

Traurig senkte ich meinen Kopf. Abermals liefen Tränen über mein Gesicht. Ich hatte einen der beiden Menschen, die mir wirklich wichtig waren, verletzt. Außer Angela und Jasper hatte ich niemanden. Vor acht Jahren hatte ich noch meine Mum, aber heute nur noch die beiden. Ich hoffte, dass ich mich nicht in Alice getäuscht hatte, denn sie schien ein sehr offener Mensch zu sein und es sah nicht so aus, als ob sie mir nur etwas vorspielte, weil ihr Freund mein Bruder ist.

Ich wischte mir meine Tränen wieder fort und schaute Jasper entschlossen an. Er hatte Recht, ich konnte ihm vertrauen und brauchte keine Angst vor ihm zu haben. Er war immer für mich da gewesen.

>Es tut mir wirklich leid, Jasper. Ich hatte Angst davor, dass du denken könntest, ich wäre schwach<, versuchte ich ihm zu erklären.

>Du weißt doch, dass ich so was nicht von dir denke.<

Noch bevor ich ihm antworten konnte, zog er mich wieder in seine Arme. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und genoss es einfach mal wieder gehalten zu werden, denn allein diese kleine Geste von ihm reichte mir aus, um mich nicht mehr ganz so schlecht zu fühlen. Ich wollte einen Neuanfang und nicht in der Vergangenheit schwelgen.

Die Fahrt verging schneller, als ich gedacht hatte. Alice parkte den Wagen und kurz darauf stiegen wir aus. Jasper nahm mein Gepäck aus dem Kofferraum, doch meine Hilfe beim Tragen lehnte er ab. Verwirrt schaute ich ihn an und noch bevor ich versuchen konnte meinen Bruder zu verstehen, nahm Alice meine Hand und zog mich mit ins Haus. Wir benutzen den Fahrstuhl, um ins oberste Stockwerk zu gelangen. Alice schloss die Wohnungstür auf und ging hinein, doch ich folgte ihr nicht, da mich der Anblick von dem riesigen Flur der Wohnung erstarren ließ. Jasper legte mir seine Hand auf den Rücken und schob mich leicht vorwärts. Meine Beine bewegten sich, ohne dass ich es wirklich realisierte und als er mich losließ, blieb ich wieder stehen und schaute mich mit großen Augen um. Der Flur war in hellen und warmen Farben gestrichen worden. Die paar Möbel die hier standen, waren in hellem Kiefernholz gehalten. Es sah einladend und freundlich aus und passte gut zusammen.

Zwei Hände legten sich auf meine Schultern und drehten mich um. Ich sah in wissende braune Augen und lächelte leicht. Jasper ließ mich los und öffnete eine Tür, dann nahm er meine Hand und führte mich in den Raum.

>Das wird dein Zimmer sein. Du kannst es dir einrichten wie du willst<, erklärte er mir.

Ich nickte sprachlos. Ich hatte keine Ahnung was ich ihm antworten könnte, da ich von dem Anblick wie hypnotisiert war. Dieses Zimmer war viel größer als das in Forks. Mit großen Augen schaute ich mich um. Die Möbel hier waren in weiß gehalten, die Wände strahlten in warmen Gelb- und Orangetönen und sehr zu meiner Freude, gab es einen riesigen Kleiderschrank. Ich ging zu diesem und öffnete die großen weißen Türen. Es war ein extra Schuhregal eingebaut und ich hatte sehr viel Platz für meine Kleidung. Es war zwar nicht so, dass ich genug davon gehabt hätte, um den Schrank füllen zu können, aber ich mochte es, wenn ich ohne lange suchen zu müssen, das fand, was mir vorschwebte.

Ich drehte mich langsam um die eigene Achse und schaute alles an. Als mein Blick auf Jasper fiel, sah ich, dass er grinsend im Türrahmen stand.

>Gefällt es dir?< Ich nickte lächelnd.

>Komm, die anderen warten schon auf dich.<

Er hielt mir seine Hand entgegen und ich ergriff diese. Zusammen gingen wir ins Wohnzimmer, wo ich auf der Couch vier Personen sitzen sah. Eine davon war Alice, doch die anderen drei sah ich jetzt zum ersten Mal. Die zwei Männer waren unterschiedlicher als ich mir aus Jaspers Beschreibungen vorgestellt hatte. Der eine war wirklich sehr groß, hatte kurze dunkle Haare und graue Augen. Er schüchterte mich schon ein, wenn er saß und ich wollte nicht wissen, wie ich mich fühlen würde, wenn er direkt vor mir stand. Der andere war, glaube ich, so groß wie mein Bruder, doch es war schwer einzuschätzen. Er hatte braune Haare und stechend grüne Augen. Seine Iriden ähnelten denen von Alice enorm.

Als alle Blicke auf mir lagen, wuchs meine Verunsicherung und ich war froh, als Jasper meine Aufmerksamkeit verlangte, sodass ich zu ihm sehen musste.

>Das sind Edward, Emmett und Rosalie<, erklärte er mir, während er nach jedem Namen auf die jeweilige Person zeigte.

Ich nickte meinem Bruder zu und winkte danach leicht in die Richtung der anderen, doch außer Emmett reagierte keiner. Edward schaute mich an, als ob ich ein Geist wäre und Rosalie erdolchte mich fast mit ihren Blicken. Sie erinnerte mich stark an Jessica und jagte mir Angst ein. Ihre ganze Körpersprache war angespannt und ablehnend, doch ihr Grinsen passte irgendwie nicht mit ins Bild. Ich wusste nicht wie ich darauf reagieren sollte.

Alice stand auf, nahm meine Hand und zog mich mit auf eines der beiden Sofas. Die Blicke der anderen drei folgten meinen Bewegungen. Jasper tippte mir auf die Schulter und ich schaute ihn fragend an.

>Möchtest du etwas trinken?< Ich nickte leicht als Antwort.

>Hast du Saft?<, fragend schaute ich ihn an.

Er lächelte, drehte sich um und ging in die Küche. Ich schaute zu den anderen. Edward hatte seinen Kopf zur Seite geneigt, sein Blick lag noch immer auf mir, doch er schien nicht mehr ganz so ungläubig, sondern eher fragend oder zweifelnd. Emmett grinste mich an, sowie schon die ganze Zeit über und Rosalie..., nun, an ihren Gesichtszügen hatte sich nichts verändert. Jasper reichte mir ein Glas mit Orangensaft, als er sich neben mich setzte. Ich stellte das Glas auf den Wohnzimmertisch und dankte ihm, indem ich mit den Fingerspitzen meiner rechten, flach ausgestreckten Hand meine Lippen berührte und diese in einer schneller Bewegung nach vorne sinken ließ.

Aus dem Augenwinkel vernahm ich eine Bewegung und schaute zur Seite. Emmett hatte sich vor gelehnt und bewegte seine Lippen in schnellem Tempo, sodass es mir fast unmöglich war zu lesen was er sagte. Ich schaute zu meinem Bruder. Jasper zog seine Stirn kraus und schüttelte seinen Kopf. Ich tippte ihn auf den Arm und schaute ihn fragend an. Er bewegte seine Lippen und ich sah an seinen Augen, dass etwas nicht stimmte. Abermals tippte ich meinem Bruder auf den Arm und dieses Mal schaute er zu mir.

>Stimmt etwas nicht?<, fragte ich Jasper und erkannte an seiner Mimik, dass meine Vermutung richtig war.

>Bella...<, er stoppte in seiner Bewegung und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus.

>Sie wussten es nicht<, stellte ich fest und in meinem Inneren zog sich etwas schmerzhaft zusammen.

Mein Blick wanderte zu den anderen zurück. Alice schaute mich neugierig an und lächelte, doch als sie meinen Blick sah, wich es aus ihrem Gesicht und ihre Miene wurde traurig. Edward hatte einen seltsames Ausdruck angenommen. Er vermittelte mir durch seine Körperhaltung, dass ich hier nicht willkommen war. Emmett schaute meinen Bruder fragend an und Rosalie sah wütend aus, zugleich aber auch unentschlossen. Ihre Augen waren mittlerweile nicht mehr kalt und hart, sondern neugierig, aber auch verwirrt. Sie schien mir ein sehr spontan fühlender Mensch zu sein, der akute Stimmungsschwankungen hatte. Aus ihr wurde ich nicht schlau, jedoch war meine anfängliche Angst ihr gegenüber, noch nicht gewichen. Ich schaute wieder zu meinem Bruder und hatte meine Antwort, ohne dass er sie mir sagen musste. Mein Blick verengte sich, als er mich traurig ansah.

>Schämst du dich für mich?<, wollte ich wissen.

Er schüttelte energisch seinen Kopf, griff nach meiner Hand, doch ich entzog mich seiner Berührung und wich vor ihm zurück. Ich wollte nicht, dass er mich jetzt anfasste. Ohne wirklich zu realisieren was ich in diesem Moment empfand, stand ich auf und ging aus dem Wohnzimmer. Ich folgte dem Flur und bog schließlich in das Zimmer ab, welches Jasper mir gezeigt hatte, schloss die Tür hinter mir und ließ mich an deren hellen Holz hinab sinken.

Ich wollte meinem Bruder glauben, wollte, dass er sich wirklich nicht für mich schämte, doch die anderen hatten so ausgesehen, als ob sie gar nicht wüssten, dass ich nichts hören konnte. Wie sonst sollte ich ihre Reaktion mir gegenüber deuten?

In meinem Rücken spürte ich eine starke Vibration. Anscheinend klopfte jemand gegen das Holz. Ich weigerte mich in diesem Moment aufzustehen, denn ich wollte einfach einen Augenblick meine Ruhe haben. Ich hätte nie gedacht, dass Jasper sich für mich schämt. Er war immer für mich da, dass hatte er mir heute sogar noch einmal versichert und dann das? Ich verstand es nicht. Die Tür drückte auf einmal gegen meinen Rücken und schob mich leicht nach vorne. Widerwillig erhob ich mich und konnte der sich öffnenden Tür ausweichen. Jasper stand vor mir, traurig waren seine Gesichtszüge und seine Augen baten mich um Verzeihung.

>Was?<, fragte ich ihn, indem ich beide Hände mit den Handflächen nach oben und gespreizten Fingern, vor mich hielt, mit den Schultern zuckte und gleichzeitig die Hände leicht nach oben bewegte, um sie dann wieder komplett sinken zu lassen. Mein Blick war verengt und ich ging einige Schritte zurück, als Jasper ins Zimmer trat.

>Es tut mir leid, Bella<, zeigte er mir, indem er seine rechte Hand so formte, dass es auch den Buchstaben 'A' ergeben hätte, legte diese dann auf seine Brust und ließ sie dann einmal im Uhrzeigersinn rotieren.

Seine Augen zeigen mir, dass er es ernst meinte, doch es tat einfach weh.

>Warum, Jasper? Warum schämst du dich für mich?<

Ich schaute ihn eindringlich an, konnte meine Enttäuschung nicht verbergen. Ich wusste nicht, dass ich auf einmal jemand für ihn war, mit dem man öffentlich nichts zu tun haben konnte.

>Ich schäme mich nicht für meine Schwester.<, versuchte er mir zu erklären.

>Was dann?<

Ich spürte, wie sich langsam Tränen einen Weg an die Oberfläche bahnten und versuchte sie so gut es ging zu unterdrücken.

>Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass du nichts hören kannst. Ich kenne es doch nicht anders. Bella, du bist niemand, für den ich mich schämen würde. Ich schäme mich nur über mich selber, dass ich das vergessen habe. Es ist meine Schuld und ich werde mit den anderen reden, es ihnen erklären.<

Seine Augen sprachen die Wahrheit. Ich ließ meinen Kopf sinken, schloss für einen Moment meine Lider und atmete tief durch.

>Warum hast du es Alice dann erzählt und den anderen nicht?<, fragte ich schließlich, als ich wieder zu ihm ansah.

>Ich habe es ihr erzählt, weil sie am Flughafen nach dir gerufen hatte und du nicht reagiert hast.<

>Warum war sie dann so freundlich und offen zu mir? Jasper, ich verstehe es nicht, hätte sie nicht sauer sein müssen?<, fragend schaute ich meinen Bruder an.

Er trat einige Schritte auf mich zu, doch dieses Mal wich ich ihm nicht aus. Unsere Blicke trafen sich, verschmolzen fast miteinander und nur die Bewegung seiner Hände, zog meine Aufmerksamkeit von seinen Augen fort.

>Sie ist enttäuscht, ja, aber auf mich, weil ich es ihr nicht gesagt habe, aber sie hat mich auch verstanden. Wenn du mir nicht glaubst, dann frage sie. Alice ist dir nicht böse und sie würde es dir auch nie zeigen, wenn ich einen Fehler gemacht habe<, erklärte er mir und ich nickte leicht.

Einerseits konnte ich ihn verstehen, doch andererseits, tat es auch weh. Ich verstand seine Erklärung, doch die Tatsache, dass sich alle unter mir etwas anderes vorgestellt hatten, war verletzend. Meine Sinne haben mich nicht getäuscht, nein, sie waren eher wie ein Frühalarmsystem. Allerdings konnte ich nicht einschätzen, wo ich jetzt stand. Wollten sie mich überhaupt hier haben, jetzt da sie wissen, dass ich gehörlos bin? Jasper zog mich in seine Arme. Ich spürte die leichte Vibration seiner Stimme auf meiner Haut. Er wusste, dass ich ihn nicht verstand und doch war es beruhigend. Ich muss nicht hören können, nur um die Bedeutung einer Geste zu verstehen, denn ich fühle sie. Ich löste mich aus seiner Umarmung und schaute ihn bittend an.

>Würdest du für mich dolmetschen? Ich möchte deinen Freunden etwas sagen<, fragte und erklärte ich ihm.

Er nickte lächelnd, zog mich noch einmal in seine Arme und platzierte einen leichten Kuss auf meiner Stirn. Zusammen gingen wir dann wieder ins Wohnzimmer, wo alle noch saßen und aufschauten, als wir rein kamen. Ich sah, wie mein Bruder etwas sagte und mich dann ansah.

>Ich möchte mich bei euch entschuldigen, denn ich kann mir vorstellen, dass es für euch nicht einfach ist. Mein Bruder hat euch nicht gesagt, dass ich euch nicht hören kann, aber bitte lasst es ihn euch erklären. Wenn ihr mich nicht hier haben wollt, dann werde ich gehen, doch ich bitte euch mir dazu etwas Zeit zu geben, damit ich mir eine Bleibe suchen kann.<

Ich sah, dass mein Bruder übersetzte und ich sah die Reaktion der anderen. Ich würde mich ihnen nicht aufzwingen, wenn sie mich nicht hier haben wollten. Auch wenn der Gedanke abgewiesen zu werden schmerzte, würde ich es akzeptieren. Momentan hatte ich keine Ahnung, wie sie sich entscheiden würden und ich konnte auch nicht einschätzen, wie ihre Antwort lauten würde. Alle schauten mich an und alle Blicke waren so unterschiedlich und voller Emotionen. Ihre Körpersprache war widersprüchlich und half mir auch nicht weiter, sondern verwirrte mich nur.

Edward war der erste, der seine Starre löste, sich durch seine braunen Haare strich und anfing seine Lippen zu bewegen. Mein Bruder nickte und begann für mich zu dolmetschen.

*~*~*

Anmerkungen:
(1*)Bella hackt darauf rum, dass man Menschen wie sie auch oft als taubstumm bezeichnet und sie das nicht gut findet. Eine kleine Erklärung aus Wikipedia, damit ihr euch etwas darunter vorstellen könnt, warum Bella ein Problem damit hat.
Die Bezeichnung taubstumm wird von gehörlosen Personen als diskriminierend empfunden, weil der Wortteil 'stumm' eine negative Konnotation enthält und gegen gehörlose Personen in der Bedeutung von „dumm“ oder „unfähig“ gehandhabt wird. Taube Menschen erachten Sprechfähigkeit weniger wesentlich als Kommunikationsfähigkeit, um mit „stumm“ bezeichnet zu werden. Sie können kommunizieren, ob in Gebärdensprache oder in Lautsprache. Daher wollen gehörlose Menschen im Deutschen entweder mit „gehörlos“ oder „taub“ bezeichnet werden. Diese sind audiologisch auf Defekt des Nichthörenkönnens orientiert.

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